Wandern

Wie Minimalismus beim Wandern den Geist befreit

Nicht die Ausrüstung macht einen guten Wanderer aus, sondern was er aus ihr macht. Und so bietet das Wandern mit leichtem Gepäck wesentlich mehr als nur körperliche Erleichterung. Es befreit den Geist. Das ist etwas, das in unserer überladenen Welt immer wertvoller wird. Ähnlich einem Sicherheitsdienst der deutschlandweit agiert sorgt das minimalistische Wandern für ein Gefühl von Kontrolle und innerer Sicherheit.

Dadurch kann die tägliche Flut an Entscheidungen reduziert werden, die unsere mentale Energie verbrauchen. Es entsteht Raum für tiefere Naturverbindungen. Denn der befreite Geist kann sich so wieder auf das Wesentliche konzentrieren.

Ein weiterer Vorteil von begrenzten Ressourcen? Sie fördern Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten in unerwarteten Situationen und lassen dadurch das Selbstvertrauen durch jede gemeisterte Herausforderung mit einfachen Mitteln wachsen.

Minimalistisches Wandern lehrt eine zeitlose Weisheit: Wahre Freiheit entsteht beim minimalistischen Wandern nicht durch mehr Besitz, sondern durch die Fähigkeit, mit weniger auszukommen und dabei tiefer zu erleben. Und in welchen Bereichen Minimalismus beim Wandern noch weitere positive geistige Wirkungen entfalten kann, beschreiben die nachfolgenden Abschnitte.

Reduzierte Entscheidungsmüdigkeit

Beim minimalistischen Wandern hilft eine bewusste Begrenzung der Ausrüstung, Entscheidungsmüdigkeit zu reduzieren. Denn jede Entscheidung kostet mentale Energie, die ein tägliches Limit besitzt. Sie wird selbst von scheinbar unbedeutenden Dingen wie der Wahl des Shirts oder der Kochutensilien beeinflusst.

Ein Begriff in diesem Zusammenhang ist die sogenannte „Ego-Erschöpfung”. Dieser Begriff wurde von dem Psychologen Roy Baumeister geprägt. Er beschreibt, wie wiederholte Entscheidungen die menschliche Willenskraft verbrauchen.

Aus diesem Grund sinkt mit weniger Gepäck die Anzahl täglicher Mikro Entscheidungen deutlich. Wenn nur eine Kleidungsoption verfügbar ist, muss man morgens nicht mehr zwischen fünf verschiedenen Optionen wählen.

Das Ergebnis? Mit solchen Vereinfachungen und dem Reduzieren auf das Wesentliche werden kognitive Ressourcen freigesetzt. Diese können dann für wichtigere Dinge wie Naturbeobachtung, Routenplanung oder einfach das Genießen des Augenblicks verwendet werden.

Gesteigerte Achtsamkeit und Präsenz

Gesteigerte Achtsamkeit und Präsenz

Durch eine reduzierte Ausrüstung verringern sich oder verschwinden auch viele Ablenkungen, die sonst Aufmerksamkeit beanspruchen. Dadurch muss das Gehirn nicht ständig Ausrüstungslisten überprüfen oder technische Geräte bedienen.

Diese frei gewordene mentale Kapazität kann man nun besser auf die unmittelbare Umgebung richten. So wird es nun dem Wanderer möglich, Details wie das Spiel von Licht und Schatten im Wald, den Gesang verschiedener Vögel oder die unterschiedlichen Grüntöne der Vegetation zu bemerken.

Ein weiterer Vorteil der erhöhten Aufmerksamkeit auf die Gegenwart ist, laut neurowissenschaftlicher Studien, die Reduktion von Stresshormonen und die Freisetzung von Glückshormonen wie Serotonin. Dadurch wird die sensorische Erfahrung intensiver und es wird eine tiefere Naturverbindung geschaffen.

Erhöhte Anpassungsfähigkeit und Problemlösungskompetenz

Not macht bekanntlich erfinderisch. Und ähnlich (nur ohne tatsächliche Not) verhält es sich auch, wenn man beim minimalistischen Wandern mit begrenzten verfügbaren Ressourcen arbeiten muss. Wenn bei einem plötzlichen Regenschauer ohne die spezielle Regenjacke der übliche Komfort wegfällt, wird das Gehirn kreativ. Man muss dann schnell umdenken. Stattdessen lässt sich vielleicht der Müllsack als Poncho einsetzen.

Durch diese Improvisationen werden jene neuronalen Netzwerke trainiert, die für Kreativität und Anpassungsfähigkeit zuständig sind. Laut Kognitionspsychologen nennt sich dieser Prozess „divergentes Denken“.  Zum Beispiel müsste, wenn beim Feuermachen das Feuerzeug versagt, auf alternative Feuerstartmethoden ausgewichen werden.

Diese Situation und andere Herausforderungen stärken dann im weiteren Verlauf die eigene Problemlösungsfähigkeit. Und die beim Wandern gefundenen kreativen Lösungen lassen sich später ebenfalls auf das normale Leben übertragen und machen Menschen bei unerwarteten Schwierigkeiten gelassener.

Vertieftes Naturerleben

Im Abschnitt zur gesteigerten Achtsamkeit und Präsenz haben wir das vertiefte Naturerleben kurz angeschnitten. Durch das minimalistische Wandern werden Barrieren zwischen Mensch und Umgebung besser abgebaut. So kann der direkte Bodenkontakt beim Schlafen auf dünnen Matten ein besseres Gefühl für die Umgebung erzeugen, was normalerweise in abgeschirmten Unterkünften verloren geht.

Laut Biologen werden durch diese unmittelbare Naturerfahrung evolutionär tief verankerte Wahrnehmungssysteme aktiviert. Dadurch kann das Gehirn mehr Sinneseindrücke wahrnehmen und die Produktion von Hormonen wie Oxytocin wird gefördert. Dieses Hormon sorgt für Stressabbau und Wohlbefinden.

Förderung von Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit

Erfolgserlebnisse erhöhen bekanntlich das Selbstvertrauen. Das kann man besonders leicht bei Kindern beobachten. Minimalistisches Wandern fördert diese, da hier Menschen mit wenig Ausrüstung erfolgreich Herausforderungen meistern müssen. Hierbei entsteht oft ein tiefes Gefühl der Kompetenz. Einige Beispiele dafür sind das Erreichen eines Gipfels ohne teure Spezialkleidung oder das Überstehen eines Regensturms mit simpler Ausrüstung.

Der Wanderer kann sich damit die eigene Fähigkeit beweisen, auch unter schwierigen Bedingungen zurechtkommen zu können. Diese Erfahrung wird von Psychologen als Selbstwirksamkeit bezeichnet. Es ist das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit, lediglich durch eigene Ressourcen wie Kreativität, Ausdauer und Anpassungsfähigkeit Herausforderungen überwinden zu können. Auch das kann wieder in den Alltag und andere Lebensbereiche übertragen werden.

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